Der Champagnerfreund
Kapitel 3
Kleine Etikettenkunde


Das Etikett auf der Champagnerflasche ist unser erster Ansprechpartner, schauen wir also, was so gesagt wird. Ich rede über Champagneretiketten und was alles so drauf steht.

Vollständiger Text [...]

Nachdem wir uns in der letzten Folge hauptsächlich mit dem Spaß an Äußerlichkeiten befasst haben, geht es diesmal genau so weiter. Äußerlichkeiten. Allerdings wird es langsam etwas ernster. Anders als Fragen nach der Glasdicke oder wie groß das Schwert zum Enthaupten der Flasche sei, gibt es auch durchaus ernstzunehmende Äußerlichkeiten. Die rede ist natürlich von dem Element, welches uns zuerst ins Auge sticht, welches die Kommunikation mit dem Konsumenten aufnimmt und welches uns Trinker als erstes an die Hand nimmt: Die Rede ist vom Etikett.

Unter dieses Thema fällt freilich die gesamte Flaschenaufmachung, von der farbigen Folie am Flaschenhals über das Etikett auf Vorder- und oftmals auch Rückseite bis hin zur gern gesehen Geschenk- bzw. Umverpackung.

Fangen wir also mit letzterer an, denn die äußere Verpackung drängelt sich natürlich vor das eigentliche Etikett. Manch Flasche kommt freilich ganz ohne weitere Verpackung, dazu gäbe es also wenig zu sagen. Dankenswerterweise sind gerade die großen Hersteller, besonders bei den großen Weinen, relativ großzügig und sparen bei der schnöden Schachtel nicht an Aufwand. Vom einfachen aber elegant designten Pappkarton bis zur Holzkiste, von der praktischen Kühlmanschette bis zur hyper-retro Strohumwicklung ward schon alles gesehen. Die Prestigeweine kommen meist im Prestigekarton, je nach Hersteller gülden Beschriftet und samtig ausgekleidet, oder in der Holzvariante mehr royale Schatztruhe als Weinkiste. Bei Preisen weit jenseits der 100 Euro kann man das natürlich schon mal machen. Gut behütet wartet nun die Flasche auf uns.

Ein Hinweis zur Flaschenform: Gerade in der Champagne ist es verbreitet eigene Flaschenformen zu verwenden, gerade bei den hochpreisigen Produkten in einem eh schon hochpreisigen Segment. Die Prestigecuvée eines Herstellers schaut gern mal aus einer besonders ansprechenden Flasche heraus, die von der üblichen Schaumweinflaschenform abweicht. Das hat genau einen Zweck: Es schaut halt gut aus. Und eine besondere Form bei einem besonderen Wein bleibt auch besonders in Erinnerung.

Wenn wir die äußere Verpackung, ob Schatulle oder Schachtel, geöffnet haben, ziehen wir die Flasche meist heraus und das erste, was uns anschaut ist der obere Teil, mit Folie umwickelt. Falls sie Ihr Blubberwasser in Frankreich kaufen, finden Sie ganz zuoberst auf der Flasche übrigens den kleinen Steueraufkleber mit der Marianne im Zentrum. In etwa das französische Äquivalent zum bundesdeutschen Pleitegeier. Der Frankreichreisende kennt das Siegel von jeder verschlossenen Pulle Wein. Auf dieser Folie am Flaschenhals also steht nun oft der gehegte und gepflegte Name des Produzenten, weithin vom Glanz und Ruhme seiner Erzeugnisse kündend. Hersteller die wenig bis gar keinen Ruhm an ihrem Namen zu haften haben schreiben deshalb auch gewöhnlich in dicken Lettern das Wort „Champagne“ auf den Flaschenhals, damit auch der Letzte merkt, womit er es hier zu tun hat.

Manch ein Produzent hat für seine Produktpalette einen Farbcode entwickelt, der für die obere Folie genutzt wird. Aber diese Farben sind komplett herstellerspezifisch und ohne Allgemeingültigkeit. Der Informationsgehalt der Flaschenhalsfolie ist demnach äußerst begrenzt, wir einigen uns also, dass sie zum Aufreißen da ist!

Kommen wir zum eigentlichen Etikett. Zum Design kann man kaum etwas sagen, denn wie üblich ist hier wieder von allem etwas dabei. Super traditionell, pseudo-traditionell, retro, elegant modern, hyper-individualistisch. Hier findet jeder etwas. Einziger Trend scheint mir der sparsamere Umgang mit Gold zu sein, welches nicht mehr ganz so häufig auf voller Fläche eingesetzt wird. Ein Hang zur Bodenständigkeit findet sich bei manchem Winzerchampagner auch auf dem Etikett wieder, aber das ist nur konsequent.
Interessant und relevant wird es jetzt beim Inhalt des Etiketts. Neben Herstellerlogo und Name und dem obligatorischen Wort „Champagne“ finden sich aufgedruckt mal mehr, mal weniger Informationen die nicht nur für den Weinfreak von Bedeutung sind. Die gesetzlichen Angaben wie Flüssigkeitsmenge, Alkoholgehalt oder Enthält Sulfite in diversen EU Sprachen kann man eigentlich getrost ignorieren. Der Alkoholgehalt liegt eh immer bei 12 oder 12,5%, Sulfite sind in praktisch jedem Wein enthalten und die Flüssigkeitsmenge ist standardisiert und lässt sich schon an der Größe der Flasche erkennen. Das Wort Champagne belegt nur, dass es sich um einen Schaumwein aus der Champagne handelt, aber das wussten wir bereits.

Langsam wird es interessanter. Aber auch komplizierter, also gut aufpassen, Liebe Hörer.

Die Worte Rosé, Rosé de Saignée und in einem Fall sogar Rosé de Blancs, markieren die Flasche eines Roséchampagners. Auf anderen Flaschen finden sich hingegen die Begriffe Blanc de Blancs, oder Blanc de Noirs, oder Varianten davon. All diese Begriffe, Rosé, oder Blanc de, bezeichnen schlichtweg die Farbe des Weins, Rosé oder Weiß, teilweise mit einem für Kenner interessanten Hinweis auf die verwendeten Rebsorten. Blanc de Blancs vom Typus mehr schlank, Blanc de Noirs eher das Gegenteil und Rosé eben mit roten Fruchtaromen. Aber wie immer gilt: Verallgemeinerungen sind wenig hilfreich, es hilft nur Weine probieren und über die Zeit die Begriffe mit Inhalten in Verbindung bringen.

Die Ortsangabe, sofern sie denn neben der gesetzlich vorausgesetzten Herstelleradresse überhaupt auftaucht, ist für den Laien und selbst für den Weinfreak wenig hilfreich, es sei denn, man hat schon einmal alles probiert. Interessanter wäre vielleicht die Angabe Premier Cru oder gar Grand Cru, die gelegentlich auffällt. Man wähnt sich schon in exklusiver Gesellschaft! Leider leider ist diese These nicht haltbar, denn Premier und Grand Cru sind gesetzliche Klassifizierungen der Weinberge einer Gemeinde. Es geht also um die theoretische Qualität des um ein Dorf herum wachsenden Weines. Und basiert auf ziemlich alten Datensätzen. Obwohl viele Spitzenchampagner aus Grand und Premier Cru Weinbergen stammen, sagt die leidvolle Erfahrung etwas anderes. Man fällt immer wieder darauf rein, aber Grand Cru gibt es von ganz großartig bis furchtbar schwach. Hier überschreiten wir die Schwelle von wenig hilfreich bis irreführend.

Nicht irreführend aber zumindest etwas merkwürdig sind die Beschreibungen des Süßegrades beim Champagner und konsequenterweise allen anderen Schaumweinen. Doux, also süß, ist zwar klar verständlich aber dafür beinahe ausgestorben. Haben wir es mit Demi-Sec und Sec, also halbtrocken und trocken, zu tun, dann sind es Weine die wir ohne Sprudel eher als süßlich einstufen würden. Ich erspare Ihnen die Zuckergrenzwerte in Gramm pro Liter, wir sind ja keine Lebensmittelchemiker. Selbst Extra-Dry, also Extra trocken ist für moderne Geschmäcker eher zu süß geraten. Trocken wird es beim Schaumwein nämlich erst beim Brut. Den Instinkt, bei französischen Vokabeln den letzten Buchstaben unausgesprochen zu lassen, unterdrücken Sie hier bitte. Brut bewegt sich nun sensorisch wie analytisch in dem Bereich den wir sonst als trocken kennen. Wobei auch hier der Weinfreak immer noch etwas zu nörgeln findet. Bei Extra Brut, Brut Nature oder Zero Dosage wird selbst der Trockenextremist dann kein Haar in der Suppe bzw. wenig bis keinen Zucker mehr im Champagner finden. Die Kurzfassung lautet also: Nicht Brut heißt nicht trocken und desto mehr Brut, desto trockener der Wein. Wundern sie sich allerdings nicht, wenn Sie überhaupt nirgendwo Champagner finden, auf dem nicht Brut steht.

Das letzte große Mysterium auf dem Champagneretikett ist dann eine vierstellige Zahl, nämlich der Jahrgang. Der glänzt meist durch Abwesenheit. Fragen Sie also nicht, sondern erinnern Sie sich, dass Champagner alles anders macht als andere Weine. Und Weine aus drei oder mehr Jahren zu vermischen ist üblich, nur ein paar Prozent der Champagnerproduktion tragen einen Jahrgang. Die Anforderung ist, dass alle Trauben aus dem gleichen Jahr sind und das der Champagne dann erstmal 3 Jahre in seine Flasche gesperrt bleibt, bevor er verkauft werden darf. Qualitativ tendieren wir hier zu höherwertigen Weinen, preislich dann aber auch.

Richtig interessant (zumindest für den Weinfreak) und endgültig kompliziert wird es dann meist auf dem Rückenetikett, sofern vorhanden. Die Beschreibungstexte sind meist vollständig inhaltsleer und somit überflüssig. Sie können aber auch durchzogen oder umrahmt sein mit Informationen, nach denen sich jeder Weinverrückte die Finger leckt. Das Degorgierdatum, also der Zeitpunkt an dem die Lagerung mit Hefe in der Flasche beendet wurde, gibt Auskunft über das Alter eines Champagners. Erntejahre der Basisweine, ebenfalls interessant. Aufschlüsselung der Rebsorten, Bodenbeschaffenheit, Auflistung der Orte an denen der Wein gewachsen ist, Details zur Vinifikation, all diese und weitere Dingen können, können!, auf der Flasche stehen. Die Nützlichkeit dieser Daten hängt von der persönlichen Erfahrung ab.

Wenn man jetzt seinen persönlichen Erfahrungsschatz erweitern will, und warum sollte man sonst einen Champagnerpodcast hören, dann gibt es noch ein letztes, sehr beachtenswertes Detail.

Auf jeder Flasche Champagner findet sich, kleingedruckt, ein Herstellercode. Eine Zahlenfolge mit zwei vorangestellten Buchstaben. Dieses Buchstabenpräfix gibt an, welche Art Hersteller sie hier vor sich haben. Ich erspare Ihnen die ausgeschriebenen Bezeichnungen samt Ausspracheanleitung und Übersetzung. Aber achten sie auf folgende Kombinationen:

NM: Ein Handelshaus, also letztlich eine Kellerei. Das schließt allerdings fast alles von Rang und Namen mit ein.
RM: Ein reiner Winzerchampagner.
CM: Ein Wein aus einer Genossenschaft.
RC: Auch ein Wein aus einer Genossenschaft.
SR: Eine Gruppe von Winzern, die zusammenarbeiten.
Und zum Schluss noch MA: Eine Handelsmarke. Also fertiger Champagner, auf den jemand seinen Namen geschrieben hat. Billiger Supermarktchampagner lautet hier nicht selten das Stichwort.

Wenn Sie damit anfangen auf diesen Code zu achten, könnten Sie Gefahr laufen, eine größere Bandbreite an Champagnern zu probieren, als sie es bisher gewohnt waren. Vielfalt ist tatsächlich etwas, das derzeit wächst und gedeiht in der Champagne.

Als Champagner gibt es diesmal einen Problemfall. Allerdings ist nicht der Wein an sich problematisch, der Wein ist einer meiner persönlichen Favoriten. Winzerchampagner (also nach dem RM auf der Flasche suchen!), 7 Jahre Hefelager, was sehr lange ist für einen Champagner ohne Jahrgang, am westlichsten Ende der Champagne angebaut, damit Pinot Meunier lastig. All das verrät uns das Etikett und verspricht einen interessanten Wein. Ich habe eine Flasche Françoise Bedel Entre Ciel et Terre Extra Brut rausgekramt. Das letzte Mal, als Geburtstagswein, gab er sich als durchaus üppige aber elegante Mischung aus Sauerteigbrot, Walnusschale und reifen Zitronen. Was recht komisch klingt ergibt im Glas aber einen sehr lebendigen Wein, mit dem man sich auch einen Abend lang beschäftigen kann, wenn man denn solchen Beschäftigungen nachgeht. Und nicht nur die kräftige Farbe des Weins leuchtet einen an, auch das Etikett strahlt in voller Pracht. Oder: Strahlte. Das problematische an diesem Problemfall ist nämlich der Etikettenwechsel. Weg von einem eigenständigen Etikett mit Charakter, hin zu einem ästhetischen Totalschaden, zu Tode modernisiert. Der Franzose ist, was seine Weinetiketten angeht, gerne mal konservativ veranlagt. Das hätte auch hier nicht geschadet, und modernisieren kann man auch behutsamer. Geschadet hat es dem Wein glücklicherweise nicht, Etiketten bleiben letztlich eine Äußerlichkeit.

So, das war’s für heute.
Den Text dieser Folge gibt es zum Nachlesen auf champagnerfreund.de

Ich fülle jetzt noch Apfelschorle in leere Champagnerflaschen, um sie auf eBay zu stellen und bedanke mich fürs Zuhören.
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